Donnerstag, 22. Oktober 2015

Erste Schulderklärung nach 1945



Nach der bedingungslosen Kapitulation aller deutschen Streitkräfte äußerte sich Pastor Friedrich Bodelschwingh am 8. Mai 1945 mit einer Predigt am 27. Mai 1945 als Erster zur Schuldfrage:
Die Christen haben Teil an der Schuld … weder können wir, noch werden wir versuchen, uns freizusprechen von der Verantwortung für die Schuld und das Schicksal unseres Volkes. Noch suchen wir uns mit der Behauptung zu schützen, dass wir von vielem, was hinter dem Stacheldraht der Lager vor sich ging oder in Polen und Russland, nichts wussten. Diese Verbrechen waren die Taten deutscher Menschen, und wir müssen die Konsequenzen tragen.“
Anfang Juni sandte Asmussen eine Predigt an den anglikanischen Erzbischof George Bell, in der es hieß:
Schuldig ist die Kirche … beider Konfessionen. Unsere Schuld liegt sehr weit zurück. Sie besteht darin, dass wir geschwiegen haben, wo wir hätten reden sollen, und redeten, wo wir hätten schweigen müssen.
Wir haben durch lange Jahrzehnte versucht, mit Weltanschauungen zu paktieren, für welche es keine letzte Wahrheit gibt. Anstatt zu sagen ‚Nein‘, haben wir gesagt ‚Sowohl-als-auch.‘ Wir haben den Fels unseres Heils und den Hort der Wahrheit geringgeachtet, das Wort Gottes.
Wir haben uns gestritten, wo wir hätten einig sein sollen. Wir haben debattiert, wo wir hätten beten sollen. … Wir haben oft nicht widerstanden, wo wir Leib und Leben hätten einsetzen sollen. Wir haben uns vorgedrängt in Wichtigtuerei, wo wir hätten still leiden müssen. Wir haben uns in die Ecke drängen lassen, wo wir hätten ganz im Vordergrund laut schreien müssen. […]
Schuldig ist der deutsche Bürger … der um seiner Ruhe willen das Recht geopfert hat … der bis weit in den Krieg hinein zu schweigen willens war zu allen Greueln, wenn sie nur Erfolg hatten.
Ja, schuldig sind wir alle, groß und klein, arm und reich, gebildet und ungebildet. Das Schwert und die Not kommt nicht über uns ohne Grund. Der deutsche Untertan muss sich schuldig sprechen.…“
Jedoch bleiben das zunächst Einzelstimmen. Bischof Wurm entwarf im Juli für die Gesamtkirche ein „Wort an die Christenheit im Ausland“, das erst Monate später zusammen mit der Stuttgarter Erklärung veröffentlicht wurde.Er sah die Kirche in der Opferrolle, die nur unter Lebensgefahr Protest wagen konnte:
Wir verurteilen insbesondere die Geiselmorde und den Massenmord an den deutschen und polnischen Juden. Wir Christen in Deutschland haben sehr darunter gelitten, daß solche Dinge den deutschen Namen schändeten und die deutsche Ehre befleckten.“
                    https://de.wikipedia.org/wiki/Stuttgarter_Schuldbekenntnis
                     
So sandte Gottlieb Funcke an Bischof Wurm einen Entwurf für das Stuttgarter Treffen, der die deutsche Schuld nicht durch Hinweise auf alliierte Schuld relativierte und den Verbrechen an den Juden den ersten und ausführlichsten Platz einräumte.
Funcke sprach die Verantwortung der Deutschen für die Überlebenden des Holocaust an, denen man das Versprechen einer neuen Lebensgemeinschaft unter den „Leitsternen“ von Freiheit, Menschlichkeit und Gerechtigkeit schulde.